Das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) hat am 12. August 2016 mit der Vorlage des Grünbuchs „Energieeffizienz“ Vorschläge für eine weitere Säule der Energiewende vorgelegt. Nach dem Ausbau der ‚Erneuerbaren Energien‘ steht jetzt die staatlich verordnete Energieeinsparung/-verknappung auf der Agenda: Bis Ende 2050 soll der Energieverbrauch in Deutschland halbiert werden.
Die Maßnahmen, die das Wirtschaftsministerium vorschlägt, sind Konsequenzen aus der Erkenntnis, dass das bisherige Instrumentarium der Energieeffizienzpolitik nicht genügt, um diese Zielsetzung auch nur annähernd zu erreichen.
Mit dem Grünbuch wird ein Konsultationsprozess eingeleitet, an dessen Ende eine Strategie zur Halbierung des Energieverbrauchs in Deutschland stehen wird. Dazu soll das Grünbuch nun mit der interessierten Öffentlichkeit diskutiert werden. Nach Abschluss der Konsultationsphase will das BMWi einen Bericht zu den eingegangenen Stellungnahmen und Vorschlägen vorlegen, auf dessen Basis dann ein Weißbuch mit Handlungsempfehlungen für eine mittel- bis langfristige Effizienzstrategie (= Strategie zur Energieverknappung) erstellt werden soll.
Alle Bürger haben die Möglichkeit, bis zum 31. Oktober 2016 ihre Stellungnahmen zum Grünbuch im Internet an das BMWi zu übermitteln. Eine der Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung findet sich auf der Webseite des Ministeriums unter dem Titel „Mitreden in fünf Minuten – 14 kompakte Thesen“. Hier werden 14 Thesen zur Kommentierung und Abstimmung gestellt.
Im Kurzthesenbereich auf https://www.gruenbuch-energieeffizienz.de/de/startseite/ kann sich jeder in die Diskussion einbringen und über die Thesen abstimmen.
Ich werde in einer Folge von Beiträgen die vierzehn Thesen einer kritischen Kommentierung unterziehen (auch gedacht als kleine Hilfestellung, falls Sie sich an der Abstimmung beteiligen wollen). Teil I der Folge wird sich zunächst mit den Thesen zum Thema Efficiency First als Leitprinzip (Thesen 1 – 3) des Grünbuchs beschäftigen. In Teil II wird es dann um die Thesen zum Instrumentarium zur Steigerung der Energieeffizienz (Thesen 4 – 7) gehen.
These 1: Efficiency First führt zu Kostenoptimierung
„Efficiency First senkt die Kosten der Energiewende“
„Efficiency First bedeutet, Kosten und Nutzen von Energieeffizienzmaßnahmen gegenüber Alternativen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen (sog. Dekarbonisierung) abzuwägen. Energie, die eingespart wird, muss nicht erzeugt, gespeichert, transportiert und bezahlt werden: Dadurch sinken die Kosten der Energiewende.“
Kommentar: Lange vor der ersten Energieeffizienzrichtlinie hat die deutsche Industrie den Energieeinsatz laufend optimiert. Von 1950 bis 1980 hat sich das (preisbereinigte) Bruttoinlandsprodukt pro eingesetzter Energieeinheit (= Energieeffizienz) mehr als verdoppelt, der absolute (Primär)Energieverbrauch hat sich in diesem Zeitraum verdreifacht (Quelle: „Faktencheck Energie und Klima“, BDI, Juni 2010). Treiber für diese Verdoppelung der Energieeffizienz waren unter marktwirtschaftlichen Bedinungen getroffene Entscheidungen der einzelnen Unternehmen zur Kostensenkung. Unter marktwirtschaftlichen Bedinungen ist Effizienzsteigerung also immer begleitet von Kostensenkungen; und bei steigendem Energieverbrauch ist sie ein Zeichen wachsenden Wohlstands!
Wenn dagegen im „Grünbuch – Energieeffizienz“ von Efficiency die Rede ist, dann ist etwas ganz anderes gemeint als Energieeffizienz. Im Grünbuch geht es immer um die staatlich verordnete Senkung des absoluten Primärenergieverbrauchs (was etwas ganz anderes ist als Effizienz!). Bis zum Jahr 2050 soll in Deutschland der Energieverbrauch halbiert werden! Dazu schlägt das Grünbuch die Einführung von staatlich verordneten Mindestpreisen (siehe Flexi-Steuer) und/oder die Steuerung der handelbaren Mengen vor. Beides führt zu einer politisch gewollten Verteuerung von Energie.
Es ist trivial: Energie, die eingespart wird, muss nicht bezahlt werden. Aber weil Energieeinsparungen vom Staat durch höhere Energiepreise erzwungen werden sollen, muss die Energie, die nicht eingespart werden kann, um so teurer bezahlt werden. Sie wird so zu einem zusätzlichen Kostenfaktor für die deutsche Industrie und für jeden einzelnen Bürger.
Fazit: These 1 ist falsch und dient der Verschleierung der tatsächlichen Zusammenhänge. Die Kosten der Energiewende werden durch staatlich verordnete Energieeinsparungen nicht sinken, sondern weiter steigen!
These 2: Efficiency First als Leitprinzip
„Das Prinzip Efficiency First muss nun in der strategischen Planung unseres Energiesystems eingesetzt werden.“
„Jetzt kommt es darauf an, das Prinzip Efficiency First in der Praxis umzusetzen. Konkret bedeutet das, dass in Planungs- und Steuerungsprozessen immer mit bedacht werden muss, welchen Beitrag das Energiesparen für den Erfolg der Energiewende leisten kann. Das heißt, dass die Energiewende stärker von der Nachfrageseite gedacht werden muss und der tatsächliche Energiebedarf die Ausgestaltung des Energiesystems bestimmt.“
Kommentar: Die oberste Maxime für die strategische Planung unserer Energiesysteme wird in Zukunft nicht mehr die möglichst optimale und zuverlässige Deckung des gesamtwirtschaftlichen Bedarfs sein, sondern Efficiency First, also Energiesparen – koste es was es wolle!
Angebot und Nachfrage müssen auch auf den Energiemärkten in Einklang gebracht werden. In einem marktwirtschaftlichen System geschieht dies dadurch, dass sowohl die Angebotsseite als auch die Nachfrage auf Preissignale reagieren können. Auf der Angebotsseite durch Ändern der angebotenen Menge sowie durch Anpassung der Produktionsstruktur (Mix aus Kernenergie, Fossile Kraftwerke und/oder Erneuerbare Energien), auf der Nachfrageseite durch Anpassen der nachgefragten Menge.
Durch das Erneuerbare Energieen Gesetz (EEG) wird die Produktionsstruktur staatlich vorgegeben (Vorrangeinspeisung für Erneuerbare Energien, Abschaltung der Kernkraftwerke) und die Preise für den Verbraucher werden nach oben getrieben. In Zukunft soll nun auch die nachgefragte Menge staatlich reguliert werden (Ziel ist die Halbierung des Enegrieverbrauchs bis 2050). „Das Leitprinzip Efficiency First wird zum strategischen Planungsinstrument für unser Energiesystem.“ Hinzu kommt, dass durch den zunehmenden Ausbau der Erneuerbaren Energien die angebotene Menge nicht mehr vorhergesagt werden kann, weil sie immer mehr von Wind und Wetter abhängt. Das bedeutet, dass der Ausgleich von Angebot und Nachfrage nur noch durch die Anpassung der Nachfrage erfolgen kann. Wenn im Grünbuch also davon die Rede ist, dass die Energiewende noch mehr von der Nachfrageseite her zu denken ist, dann ist damit nicht etwa die optimale Deckung des gesamtwirtschaftlichen Bedarfs gemeint. Damit ist vielmehr gemeint, dass in Zukunft verstärkt die Nachfrage nach Energie staatlich geplant und reglementiert werden soll. Die Nachfrageseite hat sich mit ihrem ‚tatsächlichen‘ Energiebedarf an
• staatlich verordnete Einsparziele und an
• das fluktuierende Dargebot der Erneuerbaren Energien
anzupassen. Das bedeutet Mangelverwaltung durch Steuerung der Energienachfrage mittels Preis- und Mengenfestsetzungen sowie mit technischen Mitteln der Informations- und Kommunikationstechnologie (Digitalisierung der Energiewende). Die technischen Voraussetzungen für eine zwangsweise Abschaltung einzelner Verbraucher werden bei Neubauten und bei Großverbrauchern bereits eingeführt (Aufbau von intelligenten Netzen, Einbau intelligenter Zähler in den Haushalten, …)
Fazit: ‚Denken von der Nachfrageseite her‘ im Zusammenhang mit ‚Efficiency First‘ bedeutet, dass der Staat einen fiktiven ‚tatsächlichen‘ Bedarf plant und festlegt. Ist nicht genügend Energie verfügbar, werden einzelne Verbraucher zwangsweise vom Netz genommen. Soweit darf es nicht kommen! Statt nur noch den Mangel zu verwalten, muss unser Energiesystem wieder in die Lage versetzt werden, jederzeit in genügender Menge billige Energie zur Verfügung stellen zu können.
These 3: Einführung eines Energieeffizienzgesetzes
„Die Einführung eines Energieeffizienzgesetzes unterstützt den Erfolg von Efficiency First.“
„Für das Handlungsfeld Energieeffizienz existiert bisher kein übergreifender Rechtsrahmen. Die Schaffung eines Energieeffizienzgesetzes ist eine Option dafür, das Prinzip Efficiency First erfolgreich umzusetzen. Dabei könnten z. B. auch die nationalen Effizienz- Ziele gesetzlich verankert werden.“
Kommentar: Jahrelang hat sich die Politik in Deutschland darin gefallen, auf internationaler Bühne immer ehrgeizigere ‚Klimaziele‘ zuzusagen, ohne Plan, wie diese je erreicht werden sollen. Im Pariser Klimaabkommen (COP21) vom letzten Herbst hat die Bundesregierung dem globalen Ziel, den Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen, zugestimmt und ihre Unterstützung dafür zugesagt. Die Europäische Energieeffizienz-Richtlinie von 2012 fordert bis 2020 eine jährliche Senkung des Energieverbrauchs um 1,5%. Und jetzt will die Bundesregierung in einem Energieeffizienzgesetz nationale Effizienz-Ziele gesetzlich verankern.
Was aber, wenn diese Ziele nicht mit vertretbaren Maßnahmen erreicht werden (können)? Dann könnte die Zeit der Justiz kommen: Ende Juni 2015 hat ein Gericht in Den Haag die niederländische Regierung zu mehr Klimaschutz verpflichtet. Die Richter erklärten die bisherigen Bemühungen für zu schwach und damit unrechtmäßig. Zugrunde legten die Richter dabei die ‚Oslo-Grundsätze‘, die von einer Gruppe Juristen um den Philosophen Thomas Pogge (Yale-Universität) erarbeitet worden waren. Im September 2015 wurde Pogge vom Entwicklungsdienst ‚Brot für die Welt‘ nach Berlin eingeladen, um gemeinsam mit dem Generalanwalt der Niederlande, Jaap Spier, Klagemöglichkeiten gegen Staaten zu diskutieren.
Die (erstinstanzliche) Entscheidung des niederländischen Gerichts ist kein Einzelfall; weltweit ist eine Zunahme von ‚Klimaschutz-Klagen‘ zu beobachten. In der Schweiz drohen die Grünen mit einer Klima-Klage gegen den Staat: Sollte der Bundesrat sein Ziel für 2020 zur Reduktion von Treibhausgasen nicht deutlich erhöhen, wollen sie beim Bundesverwaltungsgericht klagen.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) haben im Juli 2016 bei der EU ein Beschwerdeverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Die Verbände kritisieren, dass die derzeitigen Maßnahmen aus Deutschland nicht ausreichten, das Ziel von 1,5% Energieeinsparung pro Jahr zu erfüllen.
Jede Zustimmung zu ambitionierten Forderungen in internationalen Vereinbarungen und die gesetzliche Verankerung von Effizienz-Zielen birgt die Gefahr, dass Gerichte oder internationale Organisationen (EU, UN,..) übernehmen, wenn die nationale Politik nicht liefern kann! Es kommt zu einer nicht verfassungsmäßigen Aneignung von Macht durch Aktivistengruppen sowie nicht gewählter und nicht in der Verantwortung stehender Richter.
Dies ist eine Bedrohung der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung und beschränkt den Handlungsspielraum demokratisch gewählten Parlamente und Regierungen.
Fazit: Im Interesse von Rechtsstaat und Demokratie muß Schluss sein mit der internationalen Vereinbarung von Klimazielen. Um den Handlungsspielraum für zukünftige demokratisch gewählte Parlamente und Regierungen zu erhalten, ist die gesetzliche Verankerung von Effizienz-Zielen in einem Energieeffizienzgesetz abzulehnen.
Peter Maier-Schuler