Wirtschaftsminister Gabriel hat zur Steigerung der Energieeffizienz eine flexible Spritsteuer ins Spiel gebracht. Die Flexi-Steuer, die bei fallenden Preisen steigt und bei höheren Preisen sinkt, soll dafür sorgen, dass der Anreiz zur Senkung des Energieverbrauchs nicht durch niedrige Ölpreise konterkarriert wird.
Während Politiker anderer Parteien (CDU/FDP) und Teile der Presse eine solche Steuer (noch?) ablehnen, hat Claudia Kemfert, Energie-Expertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) den Vorschlag einer flexiblen Benzinsteuer postwendend begrüßt: „Niedrige Ölpreise sind Gift für die Energiewende“, sagte sie der BILD-Zeitung /1/. Begrüßt wird dieses Vorhaben u.a. auch von einschlägigen NGOs, von den GRÜNEN und vom Umweltbundesamt (UBA), das ähnliche Pläne schon länger propagiert.
In weiten Teilen der Presse hält man eine solche Steuer eigentlich für gar nicht so schlecht, aber nicht für durchsetzbar, weil der deutsche (der deutsche, ausgerechnet der deutsche!) Autofahrer da ja gar nicht mitspielen würde. Wäre das ganze nur der Profilierungssucht des Wirtschaftsministers und einiger seiner Mitarbeiter entsprungen, dann könnte man das ja noch für eine Schnapsidee halten und vielleicht darauf hoffen, dass diese Steuer nie eingeführt wird. Gabriel hat damit aber nicht nur seine persönliche Ansicht kundgetan; er hat vielmehr das erläutert, was im Grünbuch „Energieeffizienz“ /3/ seines Ministeriums als Instrumentarium zur Rettung der Energiewende vorgeschlagen wird. „Vor dem Hintergrund des aktuellen Preisumfelds … sollte das Instrumentarium der Energieeffizienzpolitik daher stärker mit Preisentwicklungen ‚atmen‘ können …“ /3/ Vorschläge übrigens, die zuvor schon in verschiedenen Papieren des UBA veröffentlicht wurden (siehe z.B. /2/). Man sollte also davon ausgehen, dass das UBA bei der Erstellung des Grünbuchs an wesentlicher Stelle mitgewirkt hat und Gabriel lediglich nachplappert, was man ihm vorgesagt hat.
Die grundlegende Erfolgsbedingung für ein Gelingen der Energiewende ist die Halbierung des Primärenergieverbrauchs in Deutschland bis zum Jahr 2050. Und die Europäische Energieeffizienzrichtlinie /4/ schreibt für die Jahre 2014 bis 2020 eine jährliche absolute – nicht auf das BIP bezogene – Energieeinsparung von 1,5% gegenüber dem Vorjahr vor. Deshalb, wann immer im Grünbuch von Effizienzsteigerung und Effizienzpotentialen die Rede ist: Es geht immer nur vordergründig um Effizienz; im Kern geht es immer um eine staatlich erzwungene Verringerung des absoluten Energieverbrauchs. Als strategische Maßnahmen zur Steuerung und Verringerung des Endenergieverbrauchs schlägt die EU-Richtlinie übrigens ebenfalls Energiesteuern vor.
Die Maßnahmen, die das Wirtschaftsministerium in seinem Grünbuch vorschlägt sind Konsequenzen aus der Erkenntnis, dass das bisherige Instrumentarium der Energieeffizienzpolitik nicht genügt, um diese Zielsetzungen zu erreichen: „Das Instrumentarium muß weiterentwicklet und ergänzt werden“. Neben Beratung, finanzieller Förderung (Subventionierung) und Ordnungsrecht (Ver- und Gebote) sollen als weitere Instrumente in Zukunft verstärkt Preis- und Mengensteuerungen (Quoten und Zertifikate) zum Einsatz kommen (steht so in These 4 des Grünbuchs). „Preissteuernde Instrumente … für die Anpassung an Schwankungen der Rohstoffpreise für Energieträger wären denkbar, etwa durch eine Indexierung von Steuersätzen.“ /3/ Dabei sei darauf zu achten, dass Rebound-Effekte vermieden werden, die „dazu führen, dass die erwarteten Effizienzpotentiale nicht ausgeschöpft werden.“ Im Grünbuch, das sich dabei auf Vorarbeiten des UBA beruft, werden verschiedene Arten von Rebound-Effekten unterschieden:
- Direkter Rebound: Nach der Verbilligung eines Rohstoffs, marktbedingt oder durch Effizienzsteigerung, kann eine Mehrnachfrage nach dem billigeren Produkt entstehen.
- Indirekter Rebound: Nach der Verbilligung, marktbedingt oder durch Effizienzsteigerung, kann der Energieverbrauch in Form von erhöhter Nachfrage nach anderen Produkten steigen, z.B. weil durch das billigere Produkt zusätzliche Kaufkraft freigesetzt wird.
Sollen Energieeinsparungen in der geplanten Höhe eintreten, müssen beide Effekte durch das weiterentwickelte Instrumentarium unbedingt verhindert werden.
Für den Spritpreis im Zusammenhang mit dem Ölpreis bedeutet dies:
- Bei sinkendem Ölpreis sind die Spritpreise konstant zu halten, damit keine zusätzliche Nachfrage nach Sprit entsteht.
- Die durch sinkende Ölpreise entstehende zusätzlich Kaufkraft beim Bürger ist unverzüglich durch den Staat abzuschöpfen, damit der Bürger keine Unfug mit seinem(!) zusätzlichen Geld anstellen kann!
Beide Kriterien erfüllt eine Flexi-Steuer in (aus Sicht des Staates) ‚idealer‘ Weise – laut Grünbuch übrigens nicht nur beschränkt auf den Spritverbrauch, sondern allgemein zur ‚Bewirtschaftung‘ von Rohstoffen geeignet. Die Flexi-Steuer bedeutet effektiv die Einführung einer Preisuntergrenze (also eines Mindestpreises, siehe z.B. /5/) und ist damit ein ideales Instrument zur Preissteuerung auf den Rohstoffmärkten. Man wird deshalb vermuten dürfen, dass dem Modell ‚Flexi-Steuer‘ noch eine große Zukunft bevorsteht.
Wer glaubt, dass dieses Instrumentarium nur dazu dienen wird, die Spritpreise konstant zu halten, wird sich bald getäuscht sehen: „Die Energiepreise müssen langfristig nicht nur stabil sein, sondern eigentlich steigen!“ (Gernot Klepper, Institut für Weltwirtschaft IfW in /1/) „Höhere Preise für fossile Energie sind notwendig, weil sie … ein Signal mit Lenkungswirkung sind. Die Ökologische Steuerreform ist deshalb eines der wirksamsten Instrumente für mehr Energieeffizienz„. /6/
Gabriel hat mit dem Grünbuch und dem Vorschlag einer Flexi-Steuer eine weitere Runde der Energiewende eingeläutet: Nach der Stromwende und der Energieeinsparung bei Gebäuden stehen jetzt auch die fossilen Treibstoffe und der Individualverkehr auf der Agenda. Und es wird ein weiterer Schritt in Richtung Ökosozialismus getan: Nach dem Finanzsektor und der Stromversorgung versuchen der Staat und die Europäische Union nun, die Rohstoffmärkte unter ihre Kontrolle zu bringen!
Dies gilt es ins öffentliche Bewußtsein zu bringen und, wenn möglich, zu verhindern. Ein weites Betätigungsfeld für alternative Parteien!
Peter Maier-Schuler
/1/ Philipp Vetter, „Diese Reform soll den Sprit für immer teuer machen“, DIE WELT, 16.08.2016
/2/ „Rebound-Effekte: Wie können sie effektiv begrenzt werden“, Umwelt Bundesamt, Juni 2016
/3/ „Grünbuch Energieeffizienz – Diskussionspapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Energie“, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, August 2016
/4/ „Europäische Energieeffizienzrichtline“, Richtlinie 2012/27/EU des europäischen Parlaments und
des Rates vom 25. Oktober 2012
/5/ „Automatische Steuererhöhung bei fallenden Spritpreisen? Wirtschaftsnachhilfeunterricht für
Sigmar Gabriel“, Blogbeitrag von Michael Auksutat auf FREITUM.de, 15. August 2016
/6/ „Energieeffizienz intelligent steuern“, FORUM ÖKOLOGISCHE MARKTWIRTSCHAFT,
August 2016
Bildnachweis: Santeri Viinamäki [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons
Am Ende werden dadurch die Spritpreise nicht sinken. Da muss schon einiges mehr passieren.